Regionalität schlägt Ökologie, Gewohnheit schlägt Neugier – und doch greifen Biertrinker gerne nach Craftbieren.
Das Buch „Bierbusiness“ von Conrad Seidl und Werner Beutelmeyer spürt die Trends auf. Und es dokumentiert, was die Insider der Bierbranche wirklich denken - basierend auf einer Umfrage unter mehr als 3000 Stakeholdern des Biergeschäfts.
Über Bierbusiness:
Zwei Gruppen von Branchen-Insidern befördern die Innovation der Brauwirtschaft im deutschsprachigen Raum: Da sind zum einen die Braumeister. Von ihnen sagen 78 Prozent, dass sie gerne ein Bier kosten würden, das anders schmeckt als die Biere, die sie schon kennen. Und zweitens ist es die Jahr für Jahr wachsende Gruppe der Biersommeliers – von denen sagt keiner Nein, wenn es um ein neues, auch geschmacklich anderes Bier geht.
Das ergibt eine Umfrage, die das Linzer Market-Institut unter allen Beteiligten der Branche – und zur Kontrolle bei nicht-professionellen Bierfreunden – im gesamten deutschen Sprachraum durchgeführt hat. Dokumentiert ist das im neuen Buch „Bierbusiness“, das im Wiener Medianet-Verlag erschienen ist. Befragt wurden mehr als 3000 Personen, wobei die normalen Bierfreunde in vielen Punkten gar nicht so viel anders antworten als die Profis. Deutlich abweichende Antworten kommen aber vielfach von Politikern.
So hat Market gefragt, wie die kulturelle Verankerung des Bieres im Vergleich zu der des Weins in der Gesellschaft ist. Wein wird von 60 Prozent der Österreicher, 42 Prozent der Schweizer und 34 Prozent der Deutschen „auf jeden Fall“ als Teil der Kultur ihres Landes gesehen. Von Spirituosen sagen das 22 Prozent der Österreicher, 17 Prozent der Deutschen und 16 Prozent der Schweizer. Und beim Bier liegen eindeutig die deutschen Befragten vorne, von denen sagen 80 Prozent, dass Bier jedenfalls zur Kultur Deutschlands gehöre, 66 Prozent der Österreicher sagen das von der Rolle des Bieres in der österreichischen Kultur und bei den Schweizern sehen nur 51 Prozent das Bier als unabdingbaren Teil ihrer Kultur. Aber überall liegen die Werte des Bieres über denen anderer alkoholischer Getränke!
Die von uns befragten Politiker machen – ohne dass wir die nationale Zugehörigkeit näher auswerten wollen – wesentlich zurückhaltendere Aussagen zur Bierkultur: Nur 42 Prozent der Politiker sehen Bier als „auf jeden Fall“ zur Kultur ihres Heimatlandes gehörig an. Da tröstet es wenig, dass nur elf Prozent der Politiker Spirituosen in ihren Kulturbegriff einbeziehen. Dagegen wird Wein von 44 Prozent der aktiven Politiker jedenfalls als kulturstiftend angesehen.
Bemerkenswert ist, was die Kaufentscheidung für das eine oder andere Bier beeinflusst: Fragt man Biertrinker, was ihre Entscheidung für den Bierkauf am stärksten prägt, so nennen 72 Prozent, „dass es ein Bier aus meiner nächsten Umgebung ist“. An zweiter Stelle kommt, „das ich dieses Bier schon oft getrunken habe“ mit 67 Prozent und „dass ich die Brauerei schon selber besichtigt habe“ mit 57 Prozent der Nennungen.
„Man sieht, dass Regionalität den ökologischen Aspekt schlägt – nur 26 Prozent sehen es als wichtig an, dass das von ihnen bevorzugte Bier ein Bio-Bier ist“, sagt Professor Werner Beutelmeyer, Gründer des Market-Instituts: „Auch die Gewohnheit schlägt mit 67 Prozent die Neugier, denn nur 50 Prozent sagen, dass die Kaufentscheidung dadurch beeinflusst wird, dass das angebotene Bier neu auf dem Markt ist.“
Dennoch steckt nach wie vor enormes Potenzial in Innovationen, analysiert Bierpapst Conrad Seidl, der gemeinsam mit Beutelmeyer die Ergebnisse der Umfrage gemeinsam mit eigenen Beobachtungen in dem Buch „Bierbusiness“ zusammengefasst hat: „Wenn man nur die Insider der Branche, also Braumeister, Gastwirte, Getränkehändler, Getränkehersteller und Sommeliers befragt, welche Bierstile denn Zukunft haben, dann wird India Pale Ale, also ein betont bitteres Bier, vor Pale Ale und holzfassgereiftem Bier genannt – all diesen Stilen wird von zwei Dritteln der Befragten Zukunftspotenzial zugetraut. Nur alkoholfreies Weizen liegt ähnlich stark im Trend.“
64 Prozent der von Market befragten männlichen Brancheninsider und sogar 75 Prozent der weiblichen gehen davon aus, dass holzfassgereifte Biere künftig an Bedeutung gewinnen werden. Es sind vor allem junge Befragte, die das annehmen – und besonders ausgeprägt ist diese Erwartung in Deutschland und der Schweiz.
Österreich unterscheidet sich auch darin, dass Starkbieren in Österreich weniger zugetraut wird als in den anderen deutschsprachigen Ländern: „In Österreich meinen etwa nur 16 Prozent der Bier-Profis, dass Doppelbock in Zukunft an Bedeutung gewinnen wird, in Deutschland sind es 28 Prozent und in der Schweiz sogar 36 Prozent.“ Dabei bezeichnet Seidl die Bock- und Doppelbockbiere als eine traditionelle mitteleuropäische Spielart dessen, was international als Craftbier bezeichnet wird: „Wenn im englischsprachigen Raum India Pale Ale als stilbildendes Bier der Craftbierszene bezeichnet wird, so könnten wir bei uns die Bockbiere mit demselben Stolz als aus handwerklicher Tradition entwickelte Biere, also als Craftbier, ausloben.“
Und Craftbier wird als Chance der Differenzierung gesehen: 82 Prozent der Kenner von Craftbieren sehen sie als Chance für die Gastronomie. 72 Prozent meinen, dass Craftbiere gute Speisenbegleiter sind. Und nur sieben Prozent fürchten, dass der Markt noch nicht reif für Craftbiere wäre.
Die Autoren haben eine Fülle von Daten – aus der Umfrage, aber auch zur aktuellen Marktentwicklung – zusammengetragen, haben Interviews mit Brauern, Wirten und Bierhändlern als Ergänzung dazugestellt und alles profund kommentiert. Wobei der Spaß nicht zu kurz kommen darf: „Man spricht nicht umsonst von Bierernst. Aber wer Bier verkauft, verkauft nicht bloß ein Getränk. Er verkauft auch den Spaß, den Menschen damit haben. Wer nicht selber dran Spaß hat, ist im falschen Beruf.“